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2-2024 - Wer grün färbt, hat bald ein Problem

Wiebke Brüssel

Februar 2024

 

Schon am frühen Morgen geht es los. Meine Tagescreme lässt mich wissen, dass sie vegan und klimaneutral ist. Beim Kaffeetrinken fällt der Blick auf den Haferdrink. Auch er lässt mich wissen, dass er vegan ist - was denn sonst? Außerdem taucht auf der Packung das Wort „Barista“ auf. Das soll wohl bestätigen, dass auch Kaffeekoch-Profis dieses Produkt verwenden.

 

Solche „Green Claims“, also Nachhaltigkeitsversprechen, haben Hochkonjunktur. Nachhaltige Produkte lassen sich gut und teu(r)er verkaufen. Die Zielgruppe ist meist bildungsstark, kaufkräftig und möchte auch beim Konsum etwas Gutes tun. Dafür greift sie auch tiefer in die Tasche.

 

Sind die Produkte nachweislich umweltfreundlich, ist ein höherer Preis gerechtfertigt: Die Rohstoffe sind hochwertiger, Lieferanten und Mitarbeitende werden fair bezahlt. Doch immer mehr stellt sich die Frage, ob die Umweltaussagen auf den Verpackungen wirklich grün sind oder nur „grün gefärbt“. Sind die Aussagen belegbar? Sind die Label von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle verliehen – oder wurden sie in einer Marketing-Abteilung entwickelt?

 

Wer nachvollziehen möchte, wie „grün“ Produkte sind, muss umfangreich recherchieren. Laut einer von der EU beauftragten Studie aus dem Jahr 2020 erwiesen sich in einer Stichprobe von 150 Umweltaussagen auf unterschiedlichen Produkten 53 % als vage, irreführend und nicht nachprüfbar. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich, als die zahlreichen Umweltzeichen und -logos analysiert wurden.

 

Um Abhilfe zu schaffen, hat die EU im März 2023 den Entwurf für eine neue Richtlinie vorgelegt. Der sperrige deutsche Arbeitstitel ist „Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen)“. Noch ist die sie nicht bindend, doch Unternehmensberatungen bieten schon Seminare und Consulting an. Das zeigt, dass das Thema ernst zu nehmen ist und einer guten Vorbereitung bedarf.

 

In der neuen Verordnung schreibt die EU Mindestkriterien vor, die Aussagen und Siegel erfüllen müssen (ich zitiere aus der Verordnung):

 

„Um irreführende Aussagen zu verhindern, ist in dem Vorschlag vorgesehen, dass die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen auf einer Bewertung beruhen muss, die die ausgewählten Mindestkriterien erfüllt. Das heißt, dass die zugrunde liegende Bewertung

 

  • sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und den neuesten Stand der Technik stützt,

  • nachweist, dass die Bedeutung der Auswirkungen, Aspekte und Leistung unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus erheblich ist,

  • bei der Bewertung der Umweltleistung alle wichtigen Aspekte und Auswirkungen berücksichtigt,

  • anzeigt, ob die Aussage für das gesamte Produkt oder nur für Teile davon (für den gesamten Lebenszyklus oder nur für bestimmte Phasen, für alle Tätigkeiten des Gewerbetreibenden oder nur für einen Teil davon) zutreffend ist,

  • nachweist, ob die Aussage den gesetzlichen Anforderungen entspricht,

  • Angaben darüber liefert, ob das Produkt oder der Gewerbetreibende unter dem Umweltgesichtspunkt wesentlich besser als üblich abschneidet,

  • feststellt, ob positive Entwicklungen zu einer erheblichen Verschlechterung anderer Auswirkungen führen,

  • verlangt, dass über Kompensationen von Treibhausgasen in transparenter Weise Bericht erstattet wird,

  • genaue Primär- oder Sekundärinformationen enthält.“

 

Wer jetzt den Eindruck hat, betroffen zu sein, hat 92 Seiten Lesestoff vor sich. Mit diesem Link kommt man auf die deutsche PDF-Version des Entwurfs.

 

Kleine Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und unter 2 Mio. EUR Jahresumsatz sind nach aktuellem Stand nicht von einer Nachweispflicht betroffen. Das schützt sie aber nicht vor Beschwerden oder „Shit-Storms“, wenn ihnen grün gefärbte Umweltaussagen nachgewiesen werden können. Außerdem lohnt es sich auch für sie, umwelt- und zukunftsgerecht zu arbeiten. Schließlich haben wir nur den einen Planeten.

 

Übrigens: Die Klimaneutralität meiner Tagescreme kommt nicht von einem geänderten Produktionsprozess: Der Hersteller kompensiert durch die Unterstützung klimaschützender Projekte - zurzeit entweder ein Windkraftprojekt in der Türkei oder ein Aufforstungsprojekt in Deutschland. Letzteres macht nur dann Sinn, wenn die Bäume auch wirklich stehen bleiben und nicht wieder Teil der Forstwirtschaft werden. Aber das ist dann schon wieder ein anderes Thema.

 

Redaktionelle Hinweise

 

Über die Autorin

 

Wiebke Brüssel ist Geschäftsführende Gesellschafterin des Strategiebüro Nord.

 

Das Strategiebüro Nord arbeitet für Unternehmen und Organisationen im privaten, sozialen und öffentlichen Bereich, für Gründer und für Firmen am Anfang ihrer Entwicklung.

 

Dabei geht es um individuelle Fragestellungen, die sich oft aus den Trends unserer Zeit ergeben. Hierfür entwickeln wir lösungsoffen und teamorientiert strategische Konzepte, die langfristig den Erfolg sichern.

 

 

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